Ein Film von Sanaz Saleh-Ebrahimi und Daniel Drepper
In Deutschland werden jährlich Tausende Menschen nicht entschädigt, obwohl ihre Arbeit sie krank gemacht hat. Unternehmen sparen so Hunderte Millionen Euro, auf Kosten der Steuerzahler.
BuzzFeed News Deutschland und "ZDFzoom" haben recherchiert, welche Hürden dafür sorgen, dass zahlreiche kranke Arbeitnehmer zu Unrecht nicht von den Berufsgenossenschaften entschädigt werden. Experten kritisieren in "ZDFzoom" fehlende Reformen des Systems.
Die Schwachstellen im System seien schon lange bekannt, sagen Kritiker wie der Arbeitsmediziner Xaver Baur. Schon seit Jahren fordern nicht nur Experten, sondern auch Gewerkschaften und die Bundesländer eine Reform, die mehr Menschen eine Entschädigung ermöglichen soll. Das Bundesarbeitsministerium will in diesem Jahr einen neuen Gesetzesentwurf vorlegen. Doch viele von BuzzFeed News Deutschland und "ZDFzoom" recherchierte Hürden will das Ministerium offenbar nicht überarbeiten.
Das bestehende System sei zu bürokratisch und stelle Arbeitnehmer vor zu viele Hürden. Wer in Deutschland eine Berufskrankheit anerkannt bekommen möchte, benötigt zunächst zwei positive Gutachten. Das Problem: Berufsgenossenschaften bezahlen alle Gutachter - und suchen diese meist auch selbst aus. Experten wie der bekannte Arbeitsmediziner Xaver Baur befürchten, dass dies zu wirtschaftlicher Abhängigkeit führt. Die Ausschüsse, die in den Berufsgenossenschaften für faire Entscheidungen sorgen sollen, leiden unter einem Ungleichgewicht: Arbeitnehmervertreter haben kaum Vorbereitungszeit und müssen in wenigen Stunden Dutzende Fälle entscheiden. Häufig vertrauen sie den Empfehlungen der Berufsgenossenschaften.
Die Gewerbeärzte der Bundesländer, die einzige unabhängige Instanz im Verfahren, werden immer weniger. "ZDFzoom" und BuzzFeed News Deutschland können zeigen, wie drastisch die Zahl der Gewerbeärzte in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist - und dass wegen fehlenden Personals nur noch jedes vierte Verfahren geprüft wird. Tausende Entscheidungen der Berufsgenossenschaften bleiben somit ungeprüft - höchstwahrscheinlich auch zu Unrecht abgelehnte Fälle, wie der Landesgewerbearzt in Hessen, Prof. Bolm-Audorff, im Interview mit "ZDFzoom" vermutet. Da es in Deutschland kaum Personal für unabhängige Beratungsstellen gibt, haben Betroffene selten Unterstützung in ihrem Streit mit den Berufsgenossenschaften. Und vor den Sozialgerichten sind die langwierigen Verfahren für Betroffene oft schwer zu gewinnen, weshalb viele diesen Weg gar nicht erst bestreiten.